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Der Turnverein Grafstal wird 2014 sein 125-jähriges Bestehen feiern können. Geprägt wird er von jungen Mitgliedern, die sich als Teil einer grossen Turnerfamilie in der Gemeinde Lindau sieht.
LINDAU-GRAFSTAL – Dieses Wochenende verläuft für den Turnverein Grafstal (TVG) bedeutend ruhiger als das letzte. Da waren seine Mitglieder im Volleinsatz für die Abendunterhaltung von Freitag und Samstag. Etwa zweihundert Turnende standen auf der Bühne. Die Turnerfamilie präsentierte sich in all ihren Altersklassen und Riegen. Etwa achtzig Helfende standen im vollbesetzten Tagelswanger Bucksaal im Einsatz. «Wir fühlen uns bei solchen Anlässen als ein Verein,» sagt Marco Mathe, Präsident des TVG. «Dabei ist der Damenturnverein Grafstal eigenständig. Prägend ist, dass wir beide polysportiv sind. Das Chränzli, das wir alle zwei Jahre miteinander organisieren, ist ein Höhepunkt im Vereinsleben.» Mit dem Damenturnverein zusammen stellt der TVG seit Jahrzehnten auch ein Korbballturnier auf die Beine.
Ein weiteres «Kind» des TVG ist die Skiriege, 1930 ins Leben gerufen. Pioniere animierten damals die Turner, sich «in der von Schneeflocken gereinigten Luft zu tummeln und dem Skifahren nicht feindlich gegenüberzustehen», wie es im Protokoll heisst. Skifahren war besonders aus wirtschaftlichen Gründen kein Sport für jedermann. Seit 1982 betreibt die Skiriege auf der unteren Fronalp, hoch über Mollis, eine Skihütte. Für den TVG ist klar: Das Ski-Wochenende findet da statt.
Der Veteranengruppe, 1920 gegründet, gehören ehemalige Turner an, die den Kontakt untereinander und zu den heutigen Aktiven pflegen.
«Wir treten wie eine Marke auf,» freut sich Präsident Marco Mathe. «Nebst dem Sportlichen muss auch das Gesellschaftliche stimmen.» Mit der Marke meint Mathe nicht nur das Tenue. «Bei uns gilt: Mitgegangen, mitgehangen.» Als Beispiel nennt er die Begebenheit, als sich alle einen Schnauz wachsen liessen. Wer das nicht zu Stande brachte, erhielt einfach einen aufgemalt. «Wir sind kein grosser Verein, reissen aber viel an im Dorf. Nicht nur die Abendunterhaltung ist es. Auch eine Papiersammlung, ein 1.Mai-Brunch sowie ein Stand an der Lindauer Chilbi gehören zu unseren Auftritten in der Öffentlichkeit.»
Der TVG ist der einzige Turnverein in der weitläufigen Gemeinde Lindau. Warum führt der Verein nicht Lindau in seinem Namen? Bis 1970 bestanden innerhalb der Politischen Gemeinde vier Zivilgemeinden, eine davon Grafstal/Kemptthal. Hier baute in den Achtzigerjahren des 19. Jahrhunderts der Nahrungshersteller Maggi seine Fabrikanlagen massiv aus. Die Bevölkerung Grafstals nahm schlagartig zu. Die Zivilgemeinde war ausser Stande, den nötigen Schulraum zu beschaffen. Diesen beschaffte die Firma Maggi auf ihre Kosten und besoldete gleich noch einen Lehrer. Maggi engagierte sich auch sonst in der Öffentlichkeit. Für seine Mitarbeitenden waren Vereine tragende Säulen einer sinnvollen Freizeitgestaltung. So gründeten am 2. Juni 1889 elf junge Männer im Gasthof «Frieden» in Grafstal den Turnverein «behufs Förderung des Turnens». Lehrer August Zuppinger war erster Präsident und Oberturner in einem. Als erstes regelten die Gründer die Finanzen. So wurde Zuspätkommen bis zu einer Viertelstunde mit 5 Rp. Busse geahndet. Auf dem Turnplatz Ried neben dem Tüchelmoos begann bereits eine Woche später der Turnbetrieb. Nach wenigen Wochen bildete sich innerhalb des TVG eine Gesangssektion. Ein Jahr später wagte sich der junge Verein mit einem «Chränzli» an die Öffentlichkeit. Erst blieben die Erfolge an den Wettkämpfen aus. Doch nach fünf Jahren gelang die Anschaffung einer Fahne, an die nun die errungenen Kränze geheftet werden konnten.
Heute schätzt der TVG das gute Einvernehmen mit der Gemeinde. «Ganz ähnlich wie zur Gründungszeit. Besonders unsere Jugendarbeit findet Anerkennung. Die Turnerfamilie darf dafür an drei Orten die Hallen kostenlos benützen.»
RUEDI FRETZ
Orginal-Artikel im Landbot