Ausgabe Nr. 46, ein Leckerbissen der nordischen Disziplin Langlauf
Roli Stadler
Seit den Olympischen Winterspielen 1924 zählt Skilanglauf zum Programm. Zum festen Jahresprogramm der Schweizer Langlaufszene gehört unter anderem der Skimarathon. Der Turnverein Grafstal ist mit der etablierten Marke "Engadin Skimarathon" tief verbunden. Was macht die Beziehung so stark? Ich erlaube mir, die Frage offen zu halten.
In breiter Schrift in der Wettkampfagenda vermerkt, der Engadin-Skimarathon von Maloja nach S-Chanf. Alle Teilnehmenden haben ihre ganz persönliche Motivation, an diesem Anlass teilzunehmen. In wenigen Fällen kann von einem Gruppenzwang die Rede sein.
Samstagmorgen, es hat sich so eingebürgert, dass ein Grossteil der Delegation sich bei Peti Stadler in Tagelswangen um 09.00 Uhr zum Skiwachsen einfindet. Vertraut wird einerseits der Marke Toko und andererseits dem Wachstipp des Veranstalters. Natürlich sollten auch die individuelle Erfahrung oder die Worte des Coachs respektiert werden. Auf dem Weltmarkt gibt es scheinbar Skier, die nicht zu wachsen sind! Man muss sich einmal vorstellen, wie die Reaktion der Wachsindustrie ausfallen würde. Einer von uns hat solche Skier!
Kurz nach 11.00 Uhr beginnt die eigentliche Reise ins Engadin. Traumhaftes Wetter, Schnee in Hülle und Fülle. Kaum den Rücken des Julierpasses passiert, erweitert sich der Blick auf das Oberengadin. St. Moritz, der zentrale Ort des Geschehens. In hoher menschlicher Konzentration nimmt die Langlaufszene für einmal St. Moritz in den Bann und lässt so manche Jetsetter unbeachtet am Rande erblassen.
Im örtlichen Zentrum des Marathons, in St. Moritz Bad, erhält man nicht nur die Startnummer als Legitimation zum Starten, nein, man wird auch von allen Seiten mit Emotionen auf das Rennen eingestimmt. Die Startnummer in der Hand zu halten bedeutet nicht nur, eine Startberechtigung zu haben. Es ist mehr, es ist die innere Stimme, die sagt: „Ich bin Morgen dabei“. Nach einem kurzen Aufenthalt im Campus wird die Ortschaft S-Chanf angepeilt. In S-Chanf befindet sich nicht nur der Zieleinlauf, dort durfte der TV schon etliche Male sein Nachtlager errichten. Übrigens ist die Landschaft des Oberengadins wie schon lange nicht mehr, mit einer dicken Schneeschicht eingehüllt. Nicht alle mögen, aufgrund der angespannten Wettkampfsituation, die Bilder zu focusieren.
Nach einigen Jahren Unterbruch finden wir uns sehr schnell wieder mit dem Haus und der Hausordnung zu Recht und arrangieren uns. Es herrscht schon ein raumdurchdringendes Kommando, wenn die Türschwelle überschritten wird. Wer bleiben will, hat zu akzeptieren. Die anfänglich zufällige Zimmerwahl wird schon bald durch die logistische Komponente neu aufgemischt. Die Frühaufsteher rechts, die Langschläfer links. Das hat einen Grund: Die Frühaufsteher werden als die schnellere Equipe bezeichnet. Die Schnellen dürfen auch noch in Maloja, dank der Organisation von Peti, ein zweites Frühstück als die letzte Vorbereitung geniessen.
Punkt, aber wirklich Punkt 18.00 Uhr ertönt das Signal zum Abendessen. Es ist uns allen etwas zu früh. Marco Mathe und Oliver Zimmermann sind zu diesem Zeitpunkt in St. Moritz beim Abbau des Messezeltes der Powerbar noch engagiert. Schlussendlich bleibt der Haussegen doch noch im Lot. Auch unsere Gäste, Marianne, Hans und Luca Zimmermann sitzen in der Runde zum Abendessen. An eine so frühe Nachtruhe vor einem Engadiner mag ich mich nicht erinnern. Nun gut, ein paar wenige Wortfetzen und die Stimmen verstummen in der Dunkelheit des Tales.
Markerschütternd der Weckton eines Mobiles. „Guten Morgen liebe Sportfreunde, es herrscht gute Stimmung, es ist Sonntag um 05.30 Uhr“. Ein angenehmes Gefühl bleibt trotzdem, im Wissen, dass unsere Kollegen des rechten Zimmers (TV Delegation A) bereits vor einer Stunde die Hütte verlassen mussten. Roy Grüninger, der altgediente Engadin-Busfahrer, steht bevor der Letzte seinen Schlaf aus den Augen gerieben hat im Zimmer und will nun die zweite Delegation auch hinter die Startlinie nach Maloja begleiten. An dieser Stelle darf man auch einmal die Professionalität der TV Equipe erwähnen. Uns würde das Folgende nicht passieren: Eine freundlich zum Mitfahren eingeladene Kollegin des Hauses schaft es tatsächlich, ohne Langlaufskis und Stöcke aus dem Hause zu gehen. Ohne unseren liebenswürdigen Hinweis wäre die nette Dame im Verlauf der Reise zum Start zunehmend aus der Fassung geraten.
Wir befinden uns im Startgelände des Marathons, gute Minus 10 Grad Celsius. Das sind wir uns gewohnt und machen daraus keine Szene. Erstmals in der Geschichte des Marathons, wird die Startabwicklung wegen den ausserordentlichen Schneemengen neu geregelt. Die Startblöcke auf der Seefläche konnten nicht termingerecht hergerichtet werden. Ein neues System auf Probe. Auf mich macht das eingeführte Boxensystem den Eindruck einer Viehzucht. In Gattern wir das Vieh der Käuferschaft vorgeführt. Aber die Startphasen erfolgt reibungslos und effizient. Mit Zuversicht alle Kollegen in die richtige Box geleitet zu haben, entscheidet sich Roy und Roli das Rennen in St. Moritz und Zuoz zu verfolgen. Die Absicht ist sicher richtig, da kann man keine Vorwürfe machen. Doch, wer stellt schon den Personenbus in eine Ortschaft, die für mehrere Stunden wegen der Loipenführung abgeschnitten bleibt? Das Positive daraus, wir erleben beim ersten Verpflegungsstand Szenen, die zum Staunen Anlass geben. Trikotwechsel, freie und zufällige Gespräche untereinander, langlauftechnische Herausforderungen, die zu meistern sind.
Das Ziel vor Augen, noch wenige Kilometer. Respekt vor allen, die die Ziellinie passieren. So unterschiedlich die körperliche Fitness, die Lauftechnik, die Ambitionen usw. sind, alle haben es geschafft. Es würde den von der Redaktion bestimmten Rahmen der Textvorlage sprengen, dürfte ich auf die einzelnen Wettkampferlebnisse eingehen. Nach einer langen Autoreise, fahren wir wieder unseren Heimathafen in Lindau an. Herzlichen Dank an die Organisation von Peti Stadler und Marco Mathe.
Resultate:
Stadler Peter, 2:00, 811
Vescoli Urs, 2:14, 1758
Zimmerman Oliver, 2:35, 3528
Wagner Stefan, 2:47, 4694
Kuhn Armin, 2:47, 4734
Marco Mathe, 2:53, 5248
Flammer Thomas, Zeit 2:56, Rang 5522
Santschi Raffael, 3:03, 5972
Diebold Hans, 2:06, 1201
Flammer Willy, 3:59, 7757
Zimmermann Hans, 3:36, 7344
Keller Hans, 1:09, 8435 (Halbmarathon)